05.03.2019 10:15
von Sabrina Durante

Türkei – Christentum, Islam, Moderne: eine Reise mit Christian Rutishauser

Kleinasien spielte bei Entstehung und Ausbreitung des Christentums eine entscheidende Rolle: Im Oktober führt Christian Rutishauser SJ Interessierte zu frühchristlichen Spuren in Kappadokien, Konja, Ephesus und Istanbul. Ein Ausblick mit dem Provinzial der Schweizer Jesuiten.

Wer an Religion in der Türkei denkt, denkt zuerst an den Islam, besonders an eine Re-Islamisierung unter Präsident Erdogan. Wohin geht die Reise?

Wir werden die gegenwärtige Situation wach beobachten. Nur wer die radikale Säkularisierung unter Atatürk zu Beginn des 20. Jahrhunderts versteht, begreift auch die Rückbesinnung auf den Islam heute. Der Schwerpunkt liegt dieses Mal jedoch nicht im politischen Bereich. Vielmehr begegnen wir dem Volksislam auf dem Land, besuchen Moscheen, treffen Persönlichkeiten. Ich pflege seit Jahren gute Kontakte zu Peter Hüsein Cunz, dem Scheich des Mevlana-Ordens hier in der Schweiz. Über ihn kenne ich Scheika Nur Artin. Wir sind zu Gast in ihrem Sufizentrum in Istanbul, ein Magnet vieler junger Türkinnen und Türken. Und in Konja besuchen wir Grabanlage und Museum von Rumi, der Sufi-Mystiker und grosse Dichter des Mittelalters. Mein Anliegen ist es, eine breite islamische Tradition in den Blick zu bekommen.

Kleinasien ist für das Christentum von entscheidender Bedeutung. Was dürfen die Reisenden erwarten?

Hier liegt das Hauptgewicht der Studienreise. Wir haben uns für einen Besuch beim Patriarchen Bartholomäus I. angemeldet. Ich hoffe auf eine Audienz wie bei der Reise vor zehn Jahren. Er ist primus inter pares aller Patriarchen der Orthodoxie und bemüht sich stark um die Ökumene mit Rom. In Istanbul treffen wir die deutschsprachige, katholische Gemeinde. Und der frühen Kirche begegnen wir auf Schritt und Tritt: in der kleinen Chora-Kirche mit ihren wunderbaren Mosaiken bei der Stadtmauer des alten Konstantinopel und natürlich in der Hagia Sophia, für mich einer der beeindruckendsten Sakralbauten überhaupt. Kappadokien wiederum nähern wir uns mit einer Wanderung, besuchen in einmaliger Tuffstein-Landschaft frühchristliche Höhlenkirchen, hören von den Kirchenvätern, die den Glauben so formuliert haben, dass es bis heute nachwirkt. In Ephesus dann geht es um die  Marienfrömmigkeit, eine äusserst spannende Entwicklung; in heidnischer Zeit war der Artemis-Kult von grosser Bedeutung. Wir werden Gottesdienst feiern im Haus der Maria, wo sie der Überlieferung nach gewohnt hat.

Auch Paulus wirkte in diesem Gebiet. Was können Sie über ihn berichten?

Er wuchs im Süden der heutigen Türkei, in Tarsus am Mittelmeer als Diasporajude auf, nahe von  Antiochien, wo man die Jesus-Anhänger zum ersten Mal Christen nannte. Wir konzentrieren uns jedoch auf Gemeinden, wo Paulus aktiv war und mit denen er in Briefkontakt stand: auf das einstige Ikonien, Antiochien in Pisidien, Laodizea und Ephesus. Da werden wir auch der hellenistischen Kultur jener Zeit begegnen. Besonders freue ich mich auf das eindrückliche Theater in Ephesus und die wieder aufgerichtete Fassade der Celsus-Bibliothek. Kleinasien ist die Landbrücke vom Orient nach Europa. Über diese Wege breitete sich das Christentum Richtung Westen aus, wurde von Kulturen geprägt und prägte diese mit. Angesichts des heutigen Kulturwandels, in dem sich das Christentum neu zu formen hat, ist es wichtig und wertvoll, dies zu verstehen.

6.–7.7.2019 Vorbereitungstreffen, 30.9.–9.10.2019 Türkei-Reise

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